Lost & Gone / Lost & Found

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Lost & Gone

In diesem Traum schickte mich meine Mutter von Zuhause fort,

im Sinne eines Losschickens. Ausgangspunkt war das reale Elternhaus, welches wir einst im Morgengrauen und in aller Heimlichkeit verließen. In diesem Kindesalter und mit der damaligen Situation verbandelt fühlte ich mich, als der Traum begann. Und damit stellte sich sofort Unbehagen ein, es war mir irgendwie zu früh, um allein in die Welt entlassen zu werden. Mit gemischten Gefühlen ging ich also los, verstand es nicht, vertraute aber der Mutter. Was blieb mir anderes übrig….Der Weg hatte einerseits eine feste Route oder ein Ziel, aber beides war mir unbekannt. Der Weg wechselte oft seine Umgebung und es gab auch Gefahrenzonen. Ich war irgendwie ziemlich allein und ziemlich lange unterwegs.

Nach dem freien Gelände kam ich in urbanes Gebiet. Die Route führte durch unterschiedliche Kulissen. Da war eine breite schummerige Unterführung, wo seltsame Gestalten unterwegs waren und ich eigentlich leichte Beute war. Auch hier passierte mir nichts und ich hatte irgendwie auch nie Angst. Das war der Eindruck, den der Traum hinterließ – ein gutes Gefühl, etwas geschafft oder überstanden zu haben, aber auch Verwunderung. Zwar kam ich unversehrt durch, aber warum setzte mich die Mutter all dem aus?

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Ein unaussprechlicher Verdacht schlich sich ein, dass sie mich loswerden und mir schaden wollte.

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Die Echtheit der Kulisse bedrückte mich und löste ein trauriges Gefühl aus. Das war die Erinnerung an den Lebensschnitt, der viel zu früh da war und auch zu früh in eine Einsamkeit und Verlorenheit führte. Mal war da die traurige, schmerzhafte, mal die wütende Gewissheit, dass die Mutter mich verraten und im Stich gelassen hatte. Doch es war der erste Traum bei dem mir auffiel oder ich wusste, dass diese Gestalt gar nicht die Mutter war. Eine Art Tabu war hier verknüpft: An ihrem Muttersein zu zweifeln als auch, sie jetzt zu leugnen, weil etwas ihre Gestalt annahm.

Was ich sah oder von ihr wahrnahm, stimmte jedenfalls nicht so recht mit dem Gefühl für die Mutter überein. Mehr konnte ich aus diesem Erlebnis noch nicht herauslesen. In dem Moment hatte ich jedoch keine Ahnung, wie weit ich schon gekommen war. Daher tauchte auch der Traum auf. Viele Träume hatten die Eigenschaft Gesamtblick, Vergangenheit und Momentaufnahme zugleich zu sein. Aus dieser gemeinsamen Situation mit der Mutter war ich ein Stück herausgewachsen.

Mit diesem Traum begann es auch, dass ich nicht mehr alles blind glaubte, was ich im Traum so sah. Es gelang bei weitem noch nicht aber ich fing an, die Dinge mit einem Gefühl zu betrachten, das Wesen zu erspüren. Mit diesem Traum wagte ich auch erstmals, mich gegen ein Tabu zu stellen und meinem Gefühl oder meiner Wahrnehmung zu trauen. Das war eben nicht selbstverständlich, wenngleich solche Fähigkeiten selbstverständlich sind. Sie waren defekt – und tabu.

Ein paar Jahre später konnte ich das Gefühl erkennen, das die Mutterfigur beim Losschicken mitschickte. Sie wusste sehr genau was sie tat, ganz im  Kontrast zum damaligen Erlebnis und der nachfolgenden Zeit. Ich wurde nicht irgendwo hingeschickt, sondern auf meinen Weg.  Sie wusste auch, wann der richtige Zeitpunk war um das zu tun. Auf eine Art war nun ich unantastbar  – egal was passierte, ich kam unversehrt an. Und das lag am Ziel.

Es war die Selbstliebe, die mich losschickte und sie wartete geduldig, dass ich bei ihr ankam, sie erkannte. Auf dem Weg dorthin wartete jedes einzelne Gefühl darauf, erkannt zu werden. All die Kontraste und das Leid waren real, doch da gab und gibt etwas, das schwer zu verstehen und ebenso real ist. Der Weg ist das Ziel.

Erstaunlich fand ich später einmal, dass das Abspeichern und Erinnern von lange zurückliegenden Gefühlen so gut funktionierte. Auch wenn sie eher schwächer ausgeprägt waren. Doch das war ein Irrtum, denn die schwache Ausprägung täuschte nur über die absolute Klarheit und Reinheit des Gefühls hinweg. Was diese Energiewellen stören kann ist Ablenkung und Verwirrung, aber nicht die Zeit.

 

Lost & Found

In diesem Traum war ich in einem ziemlich verwirrten Zustand irgendwo in der Zivilisation unterwegs, nur mit einem Handtuch bekleidet. Es fühlte sich so schräg an wie es aussah, aber auf eine Art war es auch unlösbar. Dort traf ich auf meine Schwester, die ich inzwischen als das Symbol meiner Seele identifizierte. Ihr ging es ganz offensichtlich auch nicht viel besser. Teils verwundert, teils mit einem leichten Schaudern sah ich, dass sie hier plötzlich Dinge tat, die sie sonst nicht tut. Sie sah auch gar nicht gut aus. Ich machte sie darauf aufmerksam und kassierte die Antwort, ich solle mich selbst mal anschauen. Im nächsten Moment standen wir an einem Bistrotisch mitten auf einem breiten Bürgersteig und verharrten in unserer Situation.

Wenn wir sonst zusammen waren oder uns trafen, war das immer eine große Freude, Leichtigkeit und Lebendigkeit. Doch hier war alles wie gelähmt, taub, wie unter einer Glocke. Es war auch sehr untypisch, dass wir uns gegenseitig nicht helfen konnten….Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts die Mutter neben uns auf. Sie sagte, sie hätte gewusst, dass es uns in diesem Moment nicht gut ging. Sie kam deshalb, um nach uns zu sehen, um uns zur Hilfe zu kommen. Seltsam, woher wusste sie das, und auch wo wir waren? Wir wussten es doch selbst nicht.

Träume mit den Eltern lösten größtenteils Zwiespalt aus, wie er auch größer nicht sein konnte. Doch auch dieser Moment war geglückt. Ich schickte diese Mutter nicht mehr mit der gewohnten Verachtung fort. Es war höchste Zeit, dass etwas in mein Leben eingriff denn meine Seele hatte begonnen, meine Krankheitsmuster zu übernehmen. Höher konnte der Grad der Verlorenheit nicht sein. Der Traum verpackte die Situation in liebenswerte Schräglage, ungewollte Komik und Harmlosigkeit. Das kam öfter vor, denn eines musste ich erkennen. Diese Verpackung war mein Leben.

Wie aus dem Nichts und in höchster Not kam – tatsächlich 

Die bedingungslose, allgegenwärtige Liebe

So hatte ich sie mir nicht vorgestellt, und daher hatte ich sie auch noch eine Zeitlang übersehen. Sie konnte wirken, auch ohne dass ich sie erkannte, darin lag und liegt ihre Bedingungslosigkeit und Geduld. Mir dämmerte jedoch, dass sie nicht wirken konnte, wenn ich sie ablehnte und fortschickte. Insofern hat diese Bedingungslosigkeit eine einzige Bedingung.

 

Was macht sie so anders –

Sie macht sich keine Sorgen. Sie sorgt im richtigen Moment für das Richtige.

Sie weiß alles, weil sie alles schon gesehen hat, mir voraus ist. 

Sie weiß was ich wissen muss und zeigt es mir, da sie weiß, dass ich auf Worte schlecht höre.

Sie weiß was ein Tabu ist, kennt aber keins.

Sie ist so vage und leise, dass sie im Verstand den Eindruck macht, gar nicht da zu sein. Aber ohne sie bin ich verloren. 

Sie ist überall und nimmt verschiedene Gestalten an.

Ob Träume, Liebe oder Selbstliebe. Das alles hatten sie gemeinsam, inklusive der Schonungslosigkeit.

2022-01-10T10:58:39+01:00