Traum vom Träumen/11.7.2020

„…. sitze in meinem Bett in meinem Zimmer, Umgebung ist stilisiert, nichts Bekanntes. Jedoch bin ich dort mit einem Bekannten zusammen, eine reale Person. Es ist mein ehemaliger Wohnungsnachbar.

Wir pflegten ein sehr angenehmes und vertrauensvolles Miteinander, waren irgendwie auf einer Welle. Aber dieses Miteinander war eben auch ein strikt getrenntes. Nun sitzt auch er hier in seinem Bett, es grenzt an meines. Die Betten stehen so im Winkel zueinander, dass wir uns nah sind und gut unterhalten können. Eine seltsame Situation, es besteht zwischen uns mehr Nähe als es je war, auch ein wenig körperliche Anziehung – dies unterstreicht oder betont das Gefühl, dass ich gerne hier sitze und dass die Situation meine volle Aufmerksamkeit erhält.

Es wundert mich, dass wir uns doch mehr zu sagen haben als ich immer dachte. Irgendwie entsteht diese Nähe auf seiner Seite, von ihm aus. Dabei registriere ich die Unbeschwertheit und Selbstverständlichkeit, mit der er agiert. Er hat scheinbar nichts zu verbergen. Im Traum fehlen mir die Worte, da brauche ich sie auch erst mal nicht, da erlebe ich es ja. Aber beim Aufschreiben ist es mir wichtig und auch gar nicht so einfach, diese Momente genau einzufangen. Hm, aber wozu einfangen – gebräuchliche Formulierungen gleiten so leicht dahin, aber sie stimmen oft nicht mehr, auch hier nicht. Der Moment ist doch da und läuft nicht weg, außer aus der Erinnerung. Worte sie ist doch da und bleibt. Ich will etwas in Worte umwandeln und merke an diesem Traum so deutlich wie lange nicht, wie schwierig das ist.   

Trotz der entspannten, natürlichen Atmosphäre halte ich mich doch auch bewusst bedeckt. Und auch wenn mir die Nähe behagt bin ich froh, dass ich mich in meinem Bett befinde, mit meiner Bettdecke hantieren und mich einkuscheln kann, so wie ich es möchte. Alles ist gut, aber irgendwie weiß ich auch, dass das hier so nicht der Re3alität entspricht oder so sein kann. Später fällt mir das passende Wort ein und es ist genau umgekehrt, es gibt tatsächlich ein Wort für diese simple wie komplexe Situation. Intimität. Das nicht ernste dafür ernstgemeinte Zwiegespräch, der unbedarfte Austausch mit mir selbst. Fort ist die Angst, das Misstrauen, das Missverständnis.

Wir unterhalten uns, oder vielmehr höre ich interessiert zu, was er zu sagen hat. Es geht auch um sein Haus und die Umbaumaßnahmen, die auf ihn zukommen oder die er so macht. Im wahren Leben ist er Handwerker und berichtet also auch hier recht fundiert. Der Traum verbaut etwas aus meinem aktuellen Tagesgeschehen. So hören wir plötzlich von draußen das Dauerfeuer eines Buchfinken, der dadurch eher negativ auffällt, dass er nur einen einzigen Ton kennt. Ich sage etwas dazu. Normaler Weise reagiere ich auf bestimmte Geräusche empfindlich, von angespannt bis verzweifelt- aggressiv. Hier nehme ich eine Überpräsenz einfach zur Kenntnis.

Nachdem wir wieder eine Weile geplaudert haben, kommt ein Mann zur Tür herein. Es ist eine Art Geschäftspartner meines Bettnachbarn oder auch von uns beiden, der ein paar Räume weiter saß. Irgendwie gehört er dazu. Auch hier nehme ich körperlich etwas wahr, es ist eine ähnliche Anziehung oder seltsame spürbare Zugehörigkeit wie zu meinem Bekannten.

Der Unbekannte scheint sehr klug und erfolgreich zu sein, dabei wirkt er zurückhaltend, sanft, freundlich. Er sieht auch aus wie ein Geschäftsmann, er ist etwas runder, trägt eine dunkle Anzughose, über dem Hemd eine Weste. Dann kommt die Stelle, als er mich in Zusammenhang mit dem Buchfinken zitiert – ich bin völlig perplex. Woher weiß er das? Doch das ist alles keine Zauberei. In diesem Gebäude sind Rohre und Leitungen, die alle Geräusche und alles Gesagte in seinem Zimmer zusammenlaufen lassen, bei ihm landet quasi alles. Aber ich fühle mich nicht belauscht oder unwohl, denn das strahlt er gar nicht aus.

Ich staune – über seine Position und Fähigkeiten. Als Zauberei empfinde ich es trotzdem, weil er das alles so sortieren, zuordnen und speichern kann. Dann sagt er: “ Wir leben im Gefühlszeitalter. Alle Werte richten sich nach dem Gefühl für eine Sache aus…“ und er nennt ein Beispiel, wo es um einen Raum in einem Gebäude geht, den ein Mann oder mehrere Beteiligte unbedingt haben wollen und dafür unverhältnismäßig viel Geld ausgeben. Aha, Wohnraum. Was ich da höre ist ganz erstaunlich und zweifle es nicht im Mindesten an. Ich fühlte, dass das was er sagt stimmt und wohl auch eine Information ist.

Im nächsten Moment bin ich allerdings dabei, dem Mann zu erklären, wie ich zu ihm stehe. Dabei drücke ich mich sehr bedacht, gewählt und präzise aus. Der Wortlaut war in etwa, dass ich ihn sehr schätze, aber seine Zeit nicht verschwenden will und daher von Kontaktaufnahmen meinerseits absehen werde…

Jetzt sind wir uns ziemlich nah, Gesicht zu Gesicht. Er ist irgendwie mehr gekränkt oder empfindlich berührt als ich so dachte oder erwartet hätte. Einen Moment sehen wir uns an, oder er sieht mich an und verlässt dann schweigend den Raum. Seine konsequente Reaktion aber vor allem sein Gesichtsausdruck hängen mir noch lange nach. Dann weiß ich nicht mehr was passierte, es ist wie eine Art Filmriss.

Ich wache auf, wieder oder immer noch in diesem Zimmer. Mein Bekannter ist fort. Aber ich weiß doch, dass ich es erlebt habe. Über mir auf einem kleinen Regal steht ein Radiowecker, es sieht zumindest so aus. Das kleine Ding hat Aufnahmefunktion und ich drücke auf die Abspieltaste um zu checken, ob das Gerät etwas aufgezeichnet hat. Tatsächlich, ich höre und erkenne sofort, dass es die Situation von eben war. Ich bin total erstaunt und fasziniert von dieser Entdeckung.

Es ist seltsam oder ungewohnt, die eigene Stimme zu hören und immer noch beschleicht mich ein ungutes Gefühl, dass ich hoffentlich nichts Schlimmes oder Kompromittierendes zu hören bekomme. Die Aufzeichnung nur zu hören, verändert oder verzerrt das Erlebte irgendwie, auch emotional. Am Anfang war alles noch gut zu hören, es wurde dann undeutlicher oder auch mal leiser. Um es zu verstehen, musste ich mit dem Ohr ganz dicht an das Gerät und auch immer wieder zurückspulen, bis ich es verstanden hatte.

Mein Marker ist die Stelle mit dem Buchfinken, auf die warte ich ganz gespannt, denn daran erinnere ich mich noch ganz genau. Hier weiß ich auch, was ich hören werde. Aber die Stelle kommt so bald nicht, es dauert und dauert – das Gespräch war wohl doch länger als ich dachte, da hat doch mehr stattgefunden als ich in Erinnerung hatte. Genau genommen weiß ich auch nicht, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist.

Während ich diesen Wunderkasten abhöre, ereignen sich Dinge vor meinem Fenster. Der Raum hat (jetzt) ein riesiges Panorama Fenster. Ich sehe eine Landstraße die hier vorbeiführt, manchmal kommt auch ein Auto. Hinter der Straße sehe ich die Landschaft und ein paar Tiere. Rehe kreuzen die Fahrbahn, kurz bevor ein weiteres Auto vorbei fährt. Da ist auch etwas mit einem Hund, oder so etwas Ähnliches, der dort platt liegt und Wellen schlägt. Seine stilisierten Augen schauen wie bei einer Comicfigur über dem Körper hervor, was man so Körper nennen könnte – eigentlich sieht es aus wie eine schwarze, lebende Gummimatte – ziemlich surreal. 

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In ARBEIT

2021-07-23T12:54:21+02:00